Die Geschichte des Völkerrechts wurde in der Vergangenheit als eine überwiegend europäische Geschichte und als Teil der Geschichte der europäischen Expansion erzählt: Im ius gentium europaeum der christlich-europäischen Staatenfamilie haben sich seit dem 17. Jahrhundert die prinzipiell gleichberechtigten Staaten Europas zwischenstaatlichen Normen unterworfen – dem Gesandtschaftsrecht, dem Recht zum Krieg, dem Recht im Krieg, dem Recht der Staatsverträge und anderen. Ein solches Völkerrecht blieb aber zunächst ohne Geltung für die Völker Asiens oder Afrikas außerhalb der „Alten Welt“ und Neu-Europas in der „Neuen Welt“.
Seit rund zwei Jahrzehnten verfolgen Forscherinnen und Forscher ein großes neues Projekt: Die eurozentrische Erzählung soll einer globalen völkerrechtlichen Forschungsperspektive auf die Geschichte der internationalen Beziehungen weichen, die die friedlichen oder gewaltsamen Verflechtungen – auch durch Imperialismus und Kolonialismus – zwischen Staaten auf allen Kontinenten in den Blick nimmt. Continue reading